Die meisten Berater wollen irgendwann ihren Erfahrungsschatz wahren und weitergeben. Und sie stellen fest: „Außer mir kann niemand mit meinem Wissen arbeiten.“ Eine Wissenslandkarte kann helfen, das über viele Jahre angesammelte Wissen zu sichern.

Vielleicht ergeht es Ihnen wie den beiden Beratern, die ich kürzlich bei einer Veranstaltung traf. Beide sind auf ihrem Gebiet sehr erfahren. Kaum eine kritische Situation, die sie nicht schon erlebt, kaum ein Problem, das sie nicht gelöst haben. Die Kunden vertrauen ihnen und schätzen ihren Rat.

Doch seit einiger Zeit beschäftigt sie eine sehr persönliche Frage: „Was sind meine Erfahrungen und mein Wissen noch wert, wenn ich mit der Beratung aufhöre?“ Mit den Jahren haben sich massenhaft Dokumentationen und Präsentationen angesammelt, die Regale und Laufwerke sind voll davon. Doch jetzt wird klar: Das entscheidende Wissen – auch implizites Wissen genannt – steckt im Kopf, nicht in den Unterlagen.

Die immer drängendere Frage

Spätesten wenn der Wunsch besteht, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen, drängt sich eine latent schon lange vorhandene Frage auf: Wie mache ich mein Wissen greifbar, damit ich es weitergeben kann? Wie erreiche ich, dass mein Wissen weiterhin nutzbar bleibt, die Essenz meiner Erfahrungen weiterhin wirkt?

Einige Berater fangen an, ihre Erfahrungen aufzuschreiben. So entstehen 70, 90 oder 120 Seiten. Mit dem Umfang wachsen die Zweifel: Der Text wird immer unübersichtlicher. Unklar ist auch, wie genau man das Geschriebene verwenden kann. Was soll am Ende daraus werden? Ein „Werkzeugkasten“ für einen möglichen Nachfolger? Eine Artikelserie? Infoprodukte im Selbstverlag? Ein richtiges Buch?

Das Lebenswerk als Buch – ein interessanter Ansatz

Das eigene Buch kann ein interessanter Ansatz sein. Vor Jahren durfte ich die zwei Inhaber und Geschäftsführer einer Restrukturierungsberatung dabei unterstützen, ihr Wissen und ihre Erfahrung aus mehreren 100 Projekten in Buchform darzustellen. Das Werk erschien in einem renommierten Verlag.

Inzwischen haben sich die beiden Geschäftsführer längst aus ihrem Geschäft zurückgezogen. Doch ihr Buch gilt noch heute, 22 Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage, als Standardwerk für das Thema Turnaroundmanagement. Es hatte damals nicht nur den Maßstab für die Nachfolger im eigenen Unternehmen gesetzt, sondern wirkte weit darüber hinaus. Erst vor wenigen Wochen traf ich einen Restrukturierer, der es zufällig bei sich trug.

Ein solches Buch ist allerdings ein anspruchsvolles Projekt. Viele geben schon beim Exposé auf, wenn es darum geht, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten. Genau an dieser Stelle wird nämlich der Kern des Problems deutlich: Das Thema ist komplex, der Stoff ufert aus.

Ihre persönliche  Wissenslandkarte

Einen umfangreichen Stoff zu strukturieren lässt sich mit der Arbeit an einer Landkarte vergleichen, die einen Überblick über ein Gebiet geben soll. Je nach Zielgruppe sieht die Karte anders aus. So wie Autofahrer eine Straßenkarte brauchen, Wanderer eine Wanderkarte oder Seefahrer eine Seekarte, so kann für einen Berater eine Wissenslandkarte sehr nützlich sein.

Auch der Maßstab kann unterschiedlich sein: Die einen brauchen eine detaillierte Karte, den anderen genügt ein grober Überblick. Stets ist die Landkarte so konzipiert, dass sie ihren Zweck erfüllt und der jeweiligen Zielgruppe Orientierung gibt.

Wie Ihre Wissenslandkarte am Ende aussieht, was genau darauf eingezeichnet ist, hängt von Ihren Zielen ab: Wozu möchten Sie Ihr Wissen einsetzen? Wer ist der Adressat, was möchten Sie ihm vermitteln?

Sind Ziel und Zielgruppe klar, lässt sich das weitere Vorgehen in drei Schritten zusammenfassen:

  • Der erste Schritt liegt darin, einen Überblick zu schaffen – Sie zeichnen eine grobe Karte Ihrer Wissenslandschaft.
  • Im zweiten Schritt folgt die Überlegung, welche Detailkarten erstellt werden sollen – sprich: an welchen Stellen Ihres Wissens es sinnvoll ist, in die Tiefe zu gehen.
  • An diesen ausgewählten Stellen gehen Sie in die Details; hier kommt Ihr besonderes Erfahrungswissen zum Zuge, mit dem Sie Ihrer Zielgruppe wirklich helfen.

Welche Kartenausschnitte und welchen Maßstab Sie wählen, hängt von Ihren Zielen ab, aber auch von den Medien, für die Sie Ihr Wissen aufbereiten. Das können Fachartikel, Wissensmodule, Onlinekurse, Vorträge, Vorlesungen, Blogbeiträge, Podcasts sein. Oder tatsächlich ein Buch.

Die Vorgehensweise lehnt sich an das didaktische Prinzip der „Grundlandschaft und Tiefenbohrungen“ an, das den Arbeiten von Prof. Dr. Martin Lehner, Leiter des Instituts für Sozialkompetenz und Managementmethoden an der Fachhochschule Technikum Wien, entnommen ist. „Die Grundlandschaft steht für den Überblick und das Ganze“, erläutert Lehner, „die Tiefenbohrungen für sorgfältige Vertiefungen und die intensive Auseinandersetzung mit dem Einzelnen und Wesentlichen.“

 

Das Prinzip „Grundlandschaft und Tiefenbohrungen“

Das Prinzip „Grundlandschaft und Tiefenbohrungen“, dargestellt am Beispiel des Erfahrungswissens eines Turnaround-Beraters (angelehnt an: Prof. Dr. Martin Lehner / Martin Wagenschein)

Wie Sie Ihr Wissen zugänglich machen

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Wie sichern Sie Ihr Wissen und wie machen Sie es zugleich greifbar, damit Sie es weitergeben können? Wie bereiten Sie Ihr Wissen zum Beispiel so auf, dass Sie anderen in einer wichtigen Frage Orientierung geben?

Erstellen Sie im ersten Schritt Ihre Wissenslandkarte, um den Überblick zu erhalten. Und überlegen Sie dann, welche Tiefenbohrungen sinnvoll sind, um Ihrer Zielgruppe einen hohen Nutzen bieten zu können. Aus jeder Tiefenbohrung entsteht ein Wissensbaustein oder – wie es in der Sprache des Wissensmanagements heißt – ein Mikroartikel. Mit der Zeit wächst auf diese Weise eine Wisssenssammlung heran, aus der Sie jederzeit schöpfen können.

Die Wissenslandkarte ist Grundlage und zugleich Ausgangspunkt, um Ihr Wissen künftig systematisch für die unterschiedlichsten Medien aufzubereiten – zum Beispiel für Vorträge, Ihr Weblog, ein Buch oder wenn Sie regelmäßig Fachartikel schreiben möchten.

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